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Erfahrungsbericht: 

Tod des Vaters

Dieser Erfahrungsbericht wurde mir mit der Bitte zugesandt, ihn anonym zu veröffentlichen. Wer aber möchte, kann sich gerne mit der Autorin über mich in  eMail  Verbindung setzen.


Nach langjähriger Krankheit, verlor ich - einen Tag vor meinem 21. Geburtstag- meinen Vater, mit anderen Worten, den Sinn meines Lebens, mein Gegenstück, denjenigen mit dem ich mich immer ohne Worte verstand, der mich immer zum Lachen brachte, egal wie schwer die Situation auch erscheinen mochte. Ich sah ihn sterben, völlig hilflos daneben stehend, immer darum bemüht der Familie (oder ihm, trotz herbeigeführter Bewusstlosigkeit) keinen zusätzlichen Kummer durch unkontrollierte Gefühlsausbrüche zu bereiten. 

Ich erinnere mich, als sei es gestern geschehen (es sollen bald drei Jahre vergangen sein). Mein erstes Gefühl war das der unbeschreiblichen Freude - obwohl ich mich selber nicht verstand - gefolgt von Stolz auf meinen Vater. Eigentlich auch Erleichterung.

Ich habe lange nicht sehen können, dass das Ende nahte und war letztlich trotz jahrelanger Kenntnis der Aussichtslosigkeit (ihm ging es doch gut)....ich weiß nicht, war ich gefasst?...

Sicher ist jedoch, ich war mir der Endgültigkeit der Situation irgendwie bewusst, und auch wieder nicht. Ich hatte mich auf das Abitur vorzubereiten, was ich auch in unnötigem Ausmaße tat, auch als sehr gute Schülerin, Nächte lang. Ich hatte sogar oftmals das Gefühl, mein Vater achtete darauf, dass ich es tat, komisch, er war nie sonderlich streng gewesen.

Die Arbeitswut war sicher noch die harmloseste Trauermethode von allen. Ich las vorstehend vom Funktionieren....ich kann dies bestätigen, denn genau das tat ich ebenfalls, jedoch mit ungewollt offensichtlichen anderen Makeln. Ich aß nicht mehr, was sich leider auch heute, wenn auch in abgeschwächter Form noch zeigt. 
Die Gründe? Essen, besonders in Gesellschaft, empfand ich als pietätlos (nicht nur auf der Trauerfeier, eigentlich Monate lang,). Wie konnte man sich nach so einem Verlust gierig hinsetzen und essen? Es erfüllte mich mit einer maßlosen Wut auf diejenigen, die es konnten, und das schlimme, sie taten es augenscheinlich gerne und mit Freude. Ich verachtete die Esser und hasste sie, da ich es als Respektlosigkeit meinem Vater gegenüber empfand. 

Der zweite, für mich unbewusstere Grund war, dass ich mich auf einem Drahtseilakt zwischen Leben und Tod befand. Das Leben ohne ihn war (und ehrlich gesagt ist oft noch) eine Qual. Es war nicht der klare Gedanke ."Ich bringe mich um!" Vielmehr verspürte ich einen wider jeder vernünftigen Überlegung einfach sich in mein Gehirn fressenden Sog, ich müsse ihm folgen. Ich provozierte in Abwesenheit meiner Familie gewisse Situationen, die mich dem Tod näherbrachten, ich aber letztlich keinen Einfluss auf dessen Eintreten hatte und fühlte mich meinem Vater so unglaublich nahe, konnte ihn beinahe spüren und es waren so wahnsinnig glückliche Momente. Aber das beschriebene Glücksgefühl dem Tod und damit meinem Vater nahe zu sein, war wie eine Sucht.

Im Laufe der Zeit habe ich schon verstanden, dass er fort ist. Doch ich kann nicht abstreiten, dass sowohl der Gedanke zu folgen - wenn auch kaum intensiv und sicher nicht bedrohlich ernst- und auch das, inzwischen einfach angewöhnte Essverhalten, also keine Nahrungsaufnahme unter Stress oder eben Erbrechen (nicht herbeigeführt!), nicht gänzlich abgeklungen sind. Doch es sind eben ein paar Momente, nicht mein ganzer Alltag. Das einzige, was mich wohl nie mehr loslassen wird, sind die Bilder, als er starb. 

Ich weiß, dass ich seinen Tod noch lange nicht akzeptiert habe, aber eines Tages, werde ich es. Sollte der Tag kommen, an dem ich bereit bin, ihn endlich loszulassen, so betrete ich erneut das Krankenzimmer, in dem er starb und werde abschließen. Sie werden vielleicht sagen, ich liefe weg... stimmt....da ich gerade ein wenig Kraft habe, mein Leben zu leben. Besuche auf dem Friedhof und in Krankenhäusern ließen mich erneut in eine tiefe Krise fallen, die ich mir jedoch nicht erlauben kann und will. 

Eine von tausend Eigenschaften meines Vaters trage ich voller Stolz in mir:. Egal wie traurig viele unter Ihnen sein mögen....bitte, verlernen Sie nie das Lachen. Selbst in den schlimmsten Momenten der Sehnsucht, Trauer, Hilflosigkeit oder Verzweiflung habe ich gelacht....herzlich gelacht....wenn auch manchmal unter Tränen. Meist aufgrund der Erinnerung an die dummen Witze meines Vaters. Und auch diesen Text beende ich mit einem liebevollen Lächeln in der Hoffnung, dass einer von Ihnen mitgelächelt hat.....

Denn dann ist er nicht umsonst gestorben! 

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